Noblesse oblige oder Adel verplichtet, das war der Wahlspruch der Herzöge de Lévis. Aber was ist Adel eigentlich? C’est quoi ca? Und wozu verpflichtet er? Wen oder was? Und hat Johann Gottfried Seume Recht, wenn er in seinen Apokryphen verlautet, dass die Edlen und der Adel gewöhnlich im Gegensatz sich befinden?
Nun, gemeinhin bezieht sich Adel nicht auf das gemeine Volk, die Plebs, sondern auf eine meist noch gemeinere, durch Abstammung privilegiertere Schicht, die Aristokratie. Mancheiner hat gemunkelt, Adel sei mit dem nordeuropäischen Odal verwandt, einen auf Generationen zurückblickenden Grundbesitz ein und derselben Familie. Aber egal ob Adel oder Odal, gleich bleibt sich, dass sich nur selten einer dieser Privilegierten der (moralischen) Verantwortlichkeit bewusst war oder wurde, die Besitztümer mit sich bringen. Während die einen gar damit begannen, an das Märchen vom blauen Blute zu glauben, wussten andere, was der Pöbel, der Mob, das Gesindel, das Pack schon lange wusste: Wahrer Adel liegt im Gemüte und nicht im Geblüte. Und natürlich: Edel sein ist gar viel mehr, als adlig sein von den Eltern her. Es ist grad so, wie Giovanni Boccaccio einmal sagen würde: „Wer tugendhaft lebt und handelt, der legt seinen Adel an den Tag“. Recht gesprochen, Herr Boccaccio, brave Bürger haben’s Ihnen gedankt und dem Adel eine weitere Herkunft gegeben: eine aus besonderen Leistungen erbrachte und erwachsene. Adlig kann also jeder sein, ob Ihr, Sie, Du oder meinereiner. Also nicht vergessen, was Juvenal in seinen Satiren sagte, Herrn Boccaccio zu Hilfe eilend: „Adel liegt einzig und allein in der Tugend.“ Was ist nun eine Tugend? Ein hochwertiger, nachahmenswerter Charakterzug wie die Demut, um nur ein Beispiel zu nennen: Demut, diese schöne Tugend, ehrt das Alter und die Jugend. Eine Tugend wie diese ist mehr wert als aller Adel, es sei denn, sie sind ein und dasselbe (geworden). Kein Geringerer (oder Höherer) als Goethe sagte, was ich dem geneigten Leser als Schlusswort mit auf den Weg geben möchte: „Edel [nicht adlig, denn das wäre nur wenigen möglich] sei der Mensch, hilfreich und gut!“